Mirza Metin, Köln-Premiere ANZIEHUNGSKRÄFTE am 14.02.2019 im Orangerie-Theater Köln

Mirza Metin, 14.02.2019  Foto: W. Barth
Am 27.10.2018, dem letzten Tag der EURODRAM-Jahresversammlung in Budapest, erzählte mir MIRZA METIN, dass er mit einem Stipendium des IFA (Institut für Auslandsbeziehungen) für ein halbes Jahr als Artist-in-Residence mit dem fringe ensemble zusammenarbeite und ein Auftragswerk schreibe. Zur Köln-Premiere werde er mich einladen.

Als mich die Mail mit der Einladung am Abend des 13.02.2019 für den Folgetag erreichte, setzte ich mich in den Berlingo und stellte diesen wenige Stunden später vor dem Orangerie-Theater am Volksgarten in Köln ab. So hatte ich eine Wohnstätte und konnte am 14.02. die Köln-Premiere des Stückes ANZIEHUNGSKRÄFTE erleben.
Das Theater
Orangerie-Theater Köln in der Stille des Volksgartens bei meiner Ankunft am 13.02.2018
Das Orangerie-Theater im Volksgarten ist ein seit Jahren etabliertes Freies Theaterhaus in der Kölner Südstadt. Die ehemalige Dienstvilla des Garten Direktors der Stadt Köln befindet sich auf einem ursprünglich als Festungsbauwerk errichteten Areal. Nach langjähriger Nutzung als städtische Gärtnerei wurde das Theater 1990 von einem Künstlerkollektiv gegründet und erhält seit 2007 Konzeptionsförderung seitens der Stadt Köln für sein innovatives Theaterkonzept. 2012 hat Marko Berger die künstlerische Leitung übernommen.
Theaterleiter Marko Berger und technischer Leiter Jan Wiesbrock, 14.2.1919 Foto © W. Barth
Weitere Informationen: http://www.orangerie-theater.de/theater/ 
Das Ensemble der Köln-Premiere: fringe ensemble
Das Bonner fringe ensemble wurde 1999 von Frank Heuel gegründet. Unter seiner Leitung sind bislang über 80 Produktionen, Projekte und Projektreihen entstanden. Das fringe ensemble arbeitet mit einem freien und offenen Ensemble freiberuflicher, professioneller SchauspielerInnen – ergänzt durch produktionsabhängig ausgesuchte MusikerInnen, VideokünstlerInnen und AutorInnen.  

Ausgehend von der Homebase im theaterimballsaal knüpft das fringe ensemble für die Produktion und Präsentation seiner Stücke lokale, regionale, bundesweite und internationale Partnerschaften und baut diese kontinuierlich aus.

Weitere Informationen: www.fringe-ensemble.de/ueber-uns/
Das Stück
Der Autor

Mirza Metin: Playwright, director, actor, instructor

Artistic director and cofounder of ŞERMOLA PERFORMAN / Kurdish coordinator of EURODRAM - European Network for Drama in Translation / Codirector of NEXUS - Kurdish German Theater Network

Weitere persönliche Daten zu Mirza Metin und zu seiner Arbeit auf seiner Homepage https://mirzametin.com/vita
Entstehung des Stückes
Frank Heuel (fringe ensemble) und der kurdische Autor, Schauspieler und Regisseur Mirza Metin lernten sich 2016 in Istanbul kennen. Dort arbeiteten sie für die Produktion „Zwischenhalt" zusammen, die im  vergangenen Herbst u.a. auch in Bonn zu sehen war. Im Sommer 2017 kam Mirza Metin im Auftrag des fringe ensemble zu einer Recherche nach Deutschland, für die er in Bonn und Köln zahlreiche Interviews mit Kurdinnen unterschiedlichen Alters geführt und aufgezeichnet hat. In diesen Gesprächen ging es um die individuellen Lebensgeschichten, um Fragen nach der Herkunft, nach dem Grund des Hierseins, nach Hoffnungen und Wünschen der Mitglieder eines heimatlosen Volkes.

Zwei der kurdischen Lebensgeschichten erschienen Metin in ihren Motiven besonders exemplarisch und in ihrer Intensität sehr berührend. Sie bilden die Grundlage für die Figuren des Stückes ANZIEHUNGSKRÄFTE, für das der Autor aber auch bei der Liebesgeschichte von Sherin und Farhad Anleihen nimmt, die in der osmanischen Kultur ebenso bekannt ist, wie bei uns die von Romeo und Julia.

Übersetzung aus dem Kurdischen ins Deutsche: Dilan Akter, Aytug Erdil und das Team des fringe ensembles.

Text: Flyer fringe ensemble ANZIEHUNGSKRÄFTE
Hicran Demir und David Fischer in ANZIEHUNGSKRÄFTE Foto © Lilian Szokody

Der Boden zieht, die Liebe fliegt.

Ein roter Teppich, eine fast leere Bühne, eine fahrbare Wand, die „mit Zeichnungen von Gesichtern, Häusern, Pistolen oder Autos aus den kollektiven Gedächtniskammern bestückt ist“ (choices), und zwei Schauspieler, die die Zuschauer Kraft der Sprache hineinziehen in das Leben der Protagonisten – ANZIEHUNGSKRÄFTE setzt auf die Imaginationskraft und den Sog einer pur wie raffinert erzählten, sehr berührenden Geschichte: 4.000 km voneinander entfernt machen sich Şêrîn und Ferhad ohne einander zu kennen am selben Tag auf eine weite Reise: Sie, um dahin zurückzukehren, wo sie geboren ist, er, um dort Krieg und Zerstörung hinter sich zu lassen. In Istanbul kreuzen sich ihre Wege. Sie verlieben sich. Aber sie lassen sich von ihren Zielen nicht abbringen.

Der kurdische Autor Mirza Metin hat bereits im vergangenen Jahr eine Reihe von Interviews mit in Deutschland lebenden Kurd*innen geführt. Sie haben ihm von ihrem Leben in Deutschland und ihrem Verhältnis zu ihrer Herkunft erzählt. Diese Geschichten sind in sein Auftragswerk für das fringe ensemble eingeflossen. Entstanden ist ein Stück aktueller Zeitgeschichte.

Eine Produktion von fringe ensemble/Türkei GbR in Koproduktion mit Şermola Perfomans, Istanbul. Gefördert durch: Bundesstadt Bonn, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Institut für Auslandsbeziehungen.

Text: www.fringe-ensemble.de/projekt/anziehungskraefte/

Die Aufführung
fringe ensemble, Plakat im Theaterfoyer. Foto: W. Barth
Auszug aus dem Premierenprogramm
Anwesend
Der Regisseur und Direktor des fringe ensembles FRANK HEUEL Foto: Thomas Morsch
Hicran Demir und David Fischer. Foto: fringe ensemble
Das Stück hat mich von Anfang bis Schluss in seinen Bann gezogen. Die professionelle Intensität der schauspielerischen Darbietung durch Hicran Demir und David Fischer, die nichtkryptische, direkte Sprache, die dynamische Handlungsentwicklung der in Gegenrichtung verlaufenden Reisen, das funktionale, Assoziationsräume öffnende Bühnenbild bei meisterhaftem technischen Ablauf, die Inhalte der Dialoge und Monologe vermitteln eine dichte Information über die kurdischen Situation in der Türkei und Deutschland. Man erlebt Zeitgeschichte hautnah und verlässt das Theater verändert. Die Poesie der sehnsuchtsvollen Liebesbeziehung im Zentrum des Stückes und die poetisch bildhaften Sprachanteile vermeiden dabei jede Nähe zum rein dokumentarischen Theater.
Ich danke Hicran und Mirza für die Gespräche vor und nach der Aufführung, die bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen haben.
Kontext: NEXUS KURDISCH-DEUTSCHES THEATERNETZWERK

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